Bienen sind begnadete Baumeister. Die Zellen der Waben, in denen sie den Nachwuchs großziehen und Honig speichern, werden nicht Pi mal Daumen angelegt. Ihre Larven umweht eine mathematische Nestwärme. Jede Zelle ist ein Sechseck von erstaunlicher Regelmäßigkeit: Alle Winkel betragen 120 Grad, selbst die Dicke der Zellwände ist mit 0,07 Millimetern überall nahezu gleich. Eine Wabe aus hunderten sechseckigen Zellen bietet einen wunderbaren Anblick. Was Mathematiker noch mehr fasziniert: Es ist die optimale geometrische Anordnung. Kein Zufall also, dass der Wabenhonig als Naturwunder gilt.
Im Vergleich etwa zum Quadrat hat ein Sechseck bei gleichem Flächeninhalt einen fast zehn Prozent kleineren Umfang.
Somit benötigen Honigbienen für ihre Bauten ein Minimum an Wachs, dessen Herstellung energieaufwendig ist. Angesichts des Wabenbaus könnte man ihnen eine ausgeprägte mathematische Intelligenz zuschreiben. Doch ist das Bienenhirn imstande, die Geometrie der Nestarchitektur im Detail zu antizipieren?
Der Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz hat herausgefunden, dass die Eigenschaften des Wachses den Bienen entgegenkommen. „Frisch gebaute Zellen sind gar nicht sechseckig“, sagt er. „Sie sind rund.“ Wenn die Bienen die dünnen Zellwände mit ihrer Körperwärme aufheizen, beginnt das Wachs zu arbeiten. An der Fließgrenze zwischen zwei Zellen passiert dann etwas Ähnliches wie beim Zusammentreffen zweier gleich großer Seifenblasen: Es bildet sich eine ebene Schnittfläche.
WABENHONIG STAMMT AUS EINEM BAUMEISTERWERK
Innere Spannungen im Wachs führen zu einem neuen Kräftegleichgewicht. Da jede Wabenzelle sechs Nachbarn hat, geschieht dies zu sechs Seiten hin: „Die sechseckige Form der Zellen entsteht durch Selbstorganisation.“ Die Natur selbst bringt diese Symmetrie hervor.
Die Waben sind alle maßgezimmert. Wo weibliche Bienen heranwachsen sollen, haben die Zellen 5,2 bis 5,4 Millimeter Durchmesser. Für diese Abmessungen benutzen die Arbeiterinnen ihren eigenen Körper als Schablone. Sobald Männchen für die Fortpflanzung gebraucht werden, legen die Arbeiterinnen Zellen von 6,2 bis 6,4 Millimetern Durchmesser an, in die ihre Königin unbesamte Eier legt. Welchen Maßstab die Arbeitsbienen dafür benutzen, ist bislang aber noch unbekannt. Unser Wabenhonig stammt also aus einem Baumeisterwerk.